Hildesheim, 30. Juni 2021
Aufs Gramm genau und ohne Müll
Netzwerk öko, fair & mehr zeichnet Beate Schneider und ihren Unverpackt-Laden grammliebe mit der Zukunfts-Hilde für den Juli aus
Hildesheim. Müllvermeidung im Haushalt beginnt beim Einkauf. Wer sich dabei Plastikverpackungen, Dosen oder auch Papiertüten sparen will, hat es in Hildesheim einfacher, seitdem es den Unverpackt-Laden grammliebe in der Innenstadt gibt. Beate Schneider hat die alarmierenden Meldungen über Plastikabfälle in den Weltmeeren und Mikroplastik in der Umwelt nicht länger nur mit Schrecken verfolgt, sondern sie hat mit Unternehmerinnen-Mut ein Geschäft eröffnet, das dagegen steuert. Dafür verleiht ihr das Netzwerk öko, fair & mehr die Zukunfts-Hilde für den Juli. Mit der Auszeichnung werden jeden Monat Projekte und Initiativen bedacht, die einen herausragenden Beitrag für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz in der Region Hildesheim leisten.
Beate Schneider hatte schon mehrere Jahre den Gedanken mit sich herumgetragen, ehe sie 2019 an die konkrete Umsetzung ihrer Geschäftsidee ging. Von April bis Juli warb sie über ein Crowdfunding Geld für ihre Unternehmensgründung und die Ausstattung des Ladens ein und fand dabei zahlreiche Unterstützer. Im Dezember 2019 konnte sie die grammliebe eröffnen.
Und sah sich 2020 gleich mit den Schwierigkeiten der Corona-Pandemie konfrontiert. Zwar durften Lebensmittel weiter verkauft werden. Doch es waren weitaus weniger Menschen in der Innenstadt unterwegs, berichtet Beate Schneider. Die immer neuen Verordnungen hätten bei der Kundschaft zu einer spürbaren Verunsicherung geführt. Im Vergleich sei die Zahl ihrer Kundinnen und Kunden im Februar 2021 gegenüber Februar 2020 um 600 zurückgegangen. Zudem war es für Beate Schneider im Schul-Lockdown schwieriger, ihre Aufgaben als Mutter einer Tochter mit ihren Aufgaben als Geschäftsfrau unter einen Hut zu bekommen.
Trotz allem: Die Auswahl an Produkten in ihrem Unverpackt-Laden hat sie von anfangs 350 auf jetzt rund 600 unterschiedliche Artikel ausgeweitet. Den größten Anteil machen dabei Trockenprodukte aus. Es gibt Müslis, Nüsse, Saaten, Getreide und Trockenfrüchte, Süßigkeiten, Knabbereien und Kaffee, aber auch Milch, die aus einem Schlauch abgefüllt wird, und ein wenig Obst und Gemüse sowie Hygieneartikel. Beate Schneider legt besonderen Wert auf regionale Produkte; das meiste ist bio, vieles vegan.
Die Käuferinnen und Käufer füllen sich die Waren in mitgebrachte Behälter ab. Die werden erst gewogen, dann mit den gewünschten Artikeln befüllt. Dabei wird nicht nur Verpackung gespart: Der Einkauf ist auch grammgenau auf den Bedarf abgestimmt. Wer also mal ein neues Rezept mit ungewohnten Zutaten ausprobiert, hat danach nicht lauter halbgenutzte Verpackungen im Schrank stehen.
Ein zusätzliches Angebot der grammliebe ist seit Mai 2020 der Online-Einkauf bei den sogenannten Marktschwärmern: Hier gibt es landwirtschaftliche Produkte ausgewählter Lieferanten mit kurzen Wegen von nicht mehr als 37 Kilometern. Die Kundinnen und Kunden bestellen im Internet und können ihre Waren einmal in der Woche bei Beate Schneider im Unverpackt-Laden abholen. So bleibt nichts im Laden liegen, das am Ende womöglich weggeworfen werden muss.
Michaela Grön, die das Netzwerk öko, fair & mehr im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsprojektes beim Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt koordiniert, überreichte die Urkunde für die Zukunfts-Hilde gemeinsam mit Detlef Ramisch von der Hildesheimer Greenpeace-Gruppe. Ramisch lobte das Durchhaltevermögen, mit dem Beate Schneider sich auf den Weg zur Geschäftsgründung gemacht habe, und hob die Bedeutung der Müllvermeidung im privaten Bereich hervor.
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastikverpackungen habe 2020 in Deutschland bei 40 Kilogramm gelegen, hinzu kämen 4 Kilogramm Mikroplastik pro Person im Jahr, führte Ramisch an. Die Menge an Verpackungsmüll ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – dazu tragen kleinere Einheiten bei, vorverpackte Frischware zum Beispiel bei Obst und Gemüse sowie Convenience-Produkte und Außer-Haus-Verzehr. Die Folge von alldem: Wissenschaftler sprechen von 150 Millionen Tonnen Plastikabfällen in den Weltmeeren. Mikroplastik habe längst den Weg in Lebensmittel und in den menschlichen Körper gefunden.
Er könne sich gut für die Zukunft ein ganzes Netz von Unverpackt-Läden in der Stadt vorstellen, sagte Detlef Ramisch. Das sorge für mehr Vielfalt und kurze Wege beim Einkauf: „Es müssen noch viel mehr mitmachen.“ Nach Auskunft des Verbandes der Unverpackt-Läden mit Sitz in Köln gibt es in Deutschland bisher 404 Unverpackt-Läden, 290 sind in Planung. Auch Beate Schneider ist Mitglied des Verbands. Wiebke Barth