Hildesheim, 16. April 2021
Auszeichnung für Hilde Lastenradverleih
Wer eine Hilde sieht, freut sich
Netzwerk öko, fair & mehr startet Jahreskampagne „Zukunfts-Hilde des Monats“ mit Preis für einen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität.
Hildesheim. Eine Stadtplanung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, mit einer Infrastruktur, die Radfahren auch für Kinder und Senior*innen sicher macht, das ist für Tinka Dittrich kein ferner Traum, sondern ein klares Zukunftsziel. Sie hat ihren Beitrag geleistet, als sie unter dem Dach des ADFC Hildesheim e.V. den kostenfrei nutzbaren Hilde Lastenradverleih ins Leben gerufen hat. Jetzt wird das Projekt ausgezeichnet als Zukunfts-Hilde des Monats April. „Ich freue mich über die Auszeichnung“, sagt Tinka Dittrich, „dadurch erreichen wir eine größere Reichweite.“
Das soll nicht nur dem Hilde Lastenradverleih zur Verbreitung verhelfen, sondern auch politischen Druck erzeugen. Damit die Vision von der menschenfreundlichen und fahrradfreundlichen Stadt näher rückt: „Radfahren in Hildesheim darf keine Frage des Mutes sein“, betont Tinka Dittrich. Sie wünscht sich eine Personalstelle bei der Stadtverwaltung, die speziell für die Radverkehrsplanung zuständig ist.
Die Zukunfts-Hilde für den Lastenradverleih ist die erste Auszeichnung in einer Reihe: Das Netzwerk öko, fair & mehr will durch den Preis ein Jahr lang jeden Monat ein Projekt für die nachhaltige Entwicklung der Region besonders hervorheben. Mit der Jahreskampagne sollen diese Initiativen mehr Aufmerksamkeit und Ausstrahlung erhalten, genauso die Menschen, die dahinter stehen.
Im Februar 2020 ist das Netzwerk öko, fair & mehr gegründet worden. Aus der zuvor lockeren Zusammenarbeit wurde ein festes Bündnis: Gruppen, Initiativen, Unternehmen, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Institutionen bündeln ihre Kräfte, um die Region Hildesheim in Sachen Nachhaltigkeit voranzubringen.
Die Corona-Krise bremste den Tatendrang der heute 47 Akteure aus. Die Möglichkeiten öffentlicher Präsenz waren stark eingeschränkt. Mit der Jahreskampagne Zukunfts-Hilde des Monats steuert das Netzwerk dagegen und will innovative und zukunftsfähige Projekte ins öffentliche Blickfeld rücken. Künftig gibt es zur Auszeichnung auch eine hochwertige Urkunde, erzählt Projekt-Koordinatorin Michaela Grön. „An der künstlerischen Umsetzung arbeiten aktuell die Künstler*innen vom Atelier Wilderers von proTeam Himmelsthür, das ebenfalls Mitglied im Netzwerk ist.“
Tinka Dittrich erlebte den Kick für ihren persönlichen Einsatz 2015. Damals sah sie eine Dokumentation über den Architekten Jan Gehl und seine Wirkung auf die Stadtentwicklung Kopenhagens. Das zeigte ihr: Veränderung ist wirklich möglich. Dazu wollte sie in ihrer Studienstadt Hildesheim beitragen. Tinka Dittrich erreichte eine zweijährige Förderung durch das Bundesumweltministerium und baute den Lastenradverleih auf.
Im Oktober 2020 ist die Förderung ausgelaufen, seither funktioniert das Projekt ehrenamtlich. Über die Homepage hilde-lastenrad.de können Interessierte inzwischen neun Räder kostenfrei online buchen. Die Räder mit so klangvollen Namen wie Swanhilde, Brunhilde oder Hildegard sind teilweise mit Elektro-Motor ausgestattet. Gewerbetreibende wie Lebensmittelgeschäfte oder Gaststätten dienen als Stationen und handhaben die Übergabe der Räder.
Die Lastenräder benötigen allerdings auch eine regelmäßige Wartung, die ein Stamm von etwa 15 Ehrenamtlichen übernommen hat. Jeweils zwei Paten pro Rad schauen regelmäßig nach, ob alles funktioniert, die Reifen aufgepumpt sind. „Es gibt das Projekt nur, weil es die tollen Ehrenamtlichen gibt“, sagt Tinka Dittrich. Wartung und Versicherungen für die Lastenräder verursachen aber auch Kosten, für die der Lastenradverleih auf Spenden angewiesen ist: „Ob das Geld reicht, zeigt sich am Ende des Jahres“, meint die Initiatorin.
Norbert Frischen, Vorsitzender im Verkehrsclub Deutschland Kreisverband Hildesheim, sieht den Verleih auch als Möglichkeit zum Ausprobieren. Er kennt Familien, die sich danach selbst ein Lastenrad angeschafft und dafür auf ein Auto verzichtet haben. Inzwischen seien die Räder täglich in der Stadt zu sehen: „Und wenn man eine Hilde sieht, dann freut man sich immer“, findet Norbert Frischen. 850 Menschen haben sich bisher als Nutzer bei Hilde Lastenrad registriert. Sie erledigen Einkäufe mit den Rädern, bringen ihre Pfandflaschen weg oder nehmen ihre Kinder mit auf einen Fahrradausflug.
Bei der Sichtbarkeit im Hildesheimer Stadtbild soll es aber nicht bleiben: Die Verbreitung in den Landkreis ist erklärtes Ziel. Die Gemeinde Harsum hat bereits zwei Lastenräder angeschafft, wenn Stationen und Ehrenamtliche gefunden sind, lassen auch diese Räder sich über das Portal von Hilde ausleihen. Der Gemeinderat Diekholzen hat gerade auf Antrag der Grünen die Anschaffung eines Lastenrades beschlossen, vorausgesetzt es findet sich eine Station. Einen Paten gibt es schon.
In der Gemeinde Algermissen startet eine Spendenkampagne auf der Plattform Betterplace.org, berichtet Andre Cartschau von der örtlichen Klimaschutz-Gruppe. Der TV Eintracht Algermissen hat sich hinter das Projekt gestellt, damit Betterplace Spendenbescheinigungen ausstellen kann. Außerdem ist der Sportverein ein idealer Multiplikator. Bei einem Rad soll es möglichst nicht bleiben, hofft Andre Cartschau: Er stellt sich langfristig ein Lastenrad für jede Ortschaft der Gemeinde vor, damit niemand einen weiten Weg zur Station hat.
Für das Netzwerk ist der Lastenradverleih ein wichtiger Baustein für die Verkehrswende und außerdem ein gutes Beispiel für Sharing Economy. „Es muss nicht jede alles selbst besitzen“, sagt Michaela Grön, „man kann auch teilen.“